Sapphire

Ein kleiner gemütlicher Laden. Young Fashion. Im Schaufenster präsentieren Mannequins die aktuelle Mode des Ladens.
Der Laden ist mit hellen Fenstern und Lampen ausgestattet. Helle Farben mit pastellen Akzenten verströmen eine ruhige, fröhliche Atmosphäre.
Es gibt allerlei Ablagen, Kleiderstangen und Rundständer mit der aktuellen Mode. Von Basics zu sportlich, süß oder rockig - für jeden ist etwas dabei.
Die vielen Spiegel laden zum Ausprobieren ein, im hinteren Teil des Geschäfts sind Umkleidekabinen zu finden. Eine kleine Sitzecke lädt zum Beraten und Verschnaufen ein.
Die Kunden und ihre Wünsche stehen an erster Stelle und alle Mitarbeiter sind stets bemüht, jeden glücklich und zufrieden aus dem Laden zu entlassen.
Es arbeiten nur wenig Mitarbeiter in diesem Geschäft, es ist sehr persönlich und familiär gehalten.

Erst seit kurzer Zeit gab es einen Aufschwung und der Laden gewann etwas an Attraktivität bei den Bewohnern Live Agains. Vorher war es eher ein Geschäft, welches eher als Geheimtipp galt und von seinen Stammkunden lebten.


Herzlich Willkommen im Sapphire!

[First Post]

"Herzlich Willkommen im Sapphire!" Norina rief der Kundin, welche gerade den Laden betrat, freundlich zu. Diese nickte und fing sofort zwischen den Kleiderstangen an zu stöbern. Norina wandte sich wieder an ihre Kollegin zu. Sie standen im Kassenbereich und sahen auf den Computer. "Wenn die Fehlermeldung wieder erscheint, klickst du einfach hier hin und scannst es erneut. Es ist nicht weiter schlimm, kann nur auf Dauer nerven." Sie lachte. Es dauerte eine kleine Weile, bis sie hinter das Problem kam, was eigentlich keines war. Dennoch, bald würde sich ein Service-Mitarbeiter darum kümmern.
Das Telefon klingelte und Norina hangelte danach. "Sapphire, Norina am Apparat." Aus ihrem Lächeln wurde ein breites Strahlen. "Papa!" Sie wollte hinter dem Kassenbereich vorkommen und stieg über ihre Schulmappe. Sie kam gerade aus der Schule und ist nicht einmal bis ins Büro gekommen, da rief ihre Kollegin schon nach ihr. Also hat sie sie nur schnell in die Ecke geschmissen um gleich startklar zu sein. "Nein, nein. Alles gut. Ich hatte schon Schulschluss,  die letzte Stunde fiel aus." Norina sah sich beim Telefonieren um und dann zu ihrer Kollegin herüber. "Warte kurz, Papa... Miki? Kannst du der Kundin kurz behilflich sein?" Miki nickte und ging los. "So, Papa. Jetzt. Ja. Jaa.. Jaha!" Sie rollte mit den Augen, konnte sich ein Grinsen jedoch nicht verkneifen. Ihr Vater war unterwegs und kam erst heute Abend nach einer längeren Reise wieder zurück. Jetzt folgte der letzte Kontrollanruf. Alles gut in der Schule? Zuhause? Im Laden? Genug gegessen, gut geschlafen? Er machte sich schnell Sorgen und auch deshalb liebte sie ihn so. Robert war stets darauf bedacht, dass es seinem kleinen Mädchen gut ging.
Norina stellte sich während des Telefonats vor einem der Spiegel und betrachtete sich darin. Sie trug einen bequemen grauen Kapuzenpulli, die Kapuze und der innere Kragen waren gelb. Dazu einen weißen Spitzenrock. Ihr Haar wurde mit einer gelben Schleife bestückt. Sie drehte sich im Spiegel und betrachtete den Rock. Er war neu im Sortiment und sie trug ihn Probe. Sie hatte nicht viel Ahnung von Mode, zumindest nicht viel Fachwissen. Viele der Kleidungsstücke trug sie einfach selbst und entschied instinktiv, was dazu passte und was nicht.
"Ja, Papa. Ich wollte auch ins Büro. Viel Kleidung kam heute an, die muss noch sortiert werden und eingetragen. Ich wollte auch noch etwas Neues suchen. Ich finde, Kleider könnten wir noch gebrauchen." Langsam ging Norina wieder zum Kassenbereich zurück und schulterte ihre Mappe über eine Schulter. "Wird erledigt, Boss!" rief sie breit grinsend, ehe sie auflegte. Dann sah sie zu Miki herüber. "Alles gut?" Sie bekam ein Nicken zur Antwort und lächelte sie an. "Sehr schön. Ich gehe dann nach hinten. Wenn etwas ist: schrei."
Norina winkte kurz, ehe sie sich zum Büro aufmachte.

-> Altstadt

Hier war es also. Das Sapphire. Jojo kannte diesen Laden. Zumindest das meisten vom Hörensagen. Er selbst war nur ein einziges Mal hier und entschied sich damals, dass es nichts für ihn war. Er strebte damals lieber die anderen Modegeschäfte an und versuchte bei ihnen seine Designs zu verkaufen. Mit nur sehr mäßigem Erfolg. Tatsächlich nur ein einziges Mal. Ein Geschäft hier in Live Again kaufte eines seiner T-Shirt-Designs. Ansonsten blieb der erhoffte Erfolg aus. Sie wollten alle nur Massenanfertigungen. Günstig muss es sein und viel. Banausen.
Jojo schüttelte seinen Kopf bei dem Gedanken daran. Jetzt aber gewann das Sapphire immer weiter an Attraktivität und er beschloss, es auch hier einmal zu versuchen. Irgendwann wird er es doch schaffen müssen!
Er sah durch das Schaufenster. Nicht, um sich dort die Modepüppchen anzusehen; nein, viel eher betrachtete er sein Spiegelbild. Der Regen hat nachgelassen, die Mütze konnte er Zuhause lassen und seine Haare stylen. Jetzt erfolgte der letzte Check. Saß noch alles? Kurz zupfte Joel an seinem Haar, das er locker zu einem Zopf gebunden hat. Kurz durch seinen Pony gestriffen - Perfekt! So hat er sich das vorgestellt und man sagte ja: Der erste Eindruck zählt!

Mit selbstbewussten Schritten betrat er den Laden und ging zugleich auf den Kassenbereich zu. Da stand eine süße Kassiererin hinter der Theke. Er zwinkerte ihr zu. "Hi. Mein Name ist Jojo. Gern würde ich mit der Leitung über ein Geschäft reden." Doch anstatt eine Antwort zu bekommen, starrte die Kassiererin ihn nur wortlos an. Sogar ihr Mund stand dabei leicht offen. Sie sah aus wie ein Fisch. Jojo sah sie verwundert an. "Ähm? Haaallohooo!" Mit seiner flachen Hand winkte er vor ihrem Gesicht herum. Was ist denn ihr bescheuertes Problem? Genervt rollte er mit den Augen. "Erde an Karpfen, Erde an Karpfen. Ich rede mit dir!" So langsam war er tierisch genervt von der Tante. Ist die ein bisschen bescheuert? Er wollte doch nur mit der Geschäftsleitung reden. So kann aus einer süßen Person eine nervige werden. Ohne was zu sagen!
"Ich frage dich jetzt nochmal: Ist die Geschäftsleitung anwesend?" Jojo klang genervt; oh ja! Er war tierisch angepisst. Und ja! Auch er konnte zur großen Zicke werden. Langsam schien aber Leben in die Dame zu kommen. Langsam blinzelte sie, ehe sie anfing zu rufen: "No..No.. Norina!"

Norina war im Büro total versunken. Ehe Papa heute Abend wieder kommt möchte sie unbedingt hier noch einiges geschafft haben. Das meiste hat sie tatsächlich auch schon erledigt. Sie sah auf die Uhr. Bald hatte Miki Feierabend, dann würde sie sie vorn im Laden ablösen und konnte hier nicht weitermachen. Zufrieden lehnte Norina sich nach hinten und sah auf den Stapel erledigter Arbeit. Sie lächelte. Das war super! Alles lief prima. Sie liebte diese Arbeit. Selbst dieser schnöde Papierkram im Büro.
Jetzt fiel ihr Blick in eine Ecke des Büros, dort standen ein paar Kartons. Das erinnerte sie daran, dass die neue Ware angekommen ist. Sie stand auf und trug den Karton Richtung Lager. Da waren noch viel mehr Kisten. Sie machte sich daran ein paar Kisten auszupacken und Kleidungsstücke zu sortieren. Gerade stappelte sie ein paar Blusen und T-Shirts. Der Turm war so hoch, dass er ihr komplettes Gesicht verdeckte, als sie diesen hochhob. Kurz musste sie lachen. Wie lautete der Spruch? Lieber riskiere ich alles fallen zu lassen, statt zweimal zu laufen. Doch sie kannte diesen Laden in- und auswendig, sie würde jederzeit blind hindurch laufen können ohne irgendwo anzuecken.
Gerade als sie mit ihrem Stapel den Ladenbereich betrat, vernahm sie Mikis Stimme. Sie klang irgendwie.. merkwürdig. Nicht, als hätte sie Angst, sondern eher.. verwirrt! "Jaaa, hier bin ich!" Norina versuchte hinter ihrem Stapel hervorzusehen, was natürlich nicht funktionierte. "Bin sofort da! Gib mir 2 Minuten! Ich bringe nur noch die Ware weg." Und damit verschwand sie schnell hinter den Kleiderständern um die Kleidung zu verstauen und Miki helfen zu können.

Diese blöde Kuh konnte nicht aufhören Jojo anzustarren. Das machte ihn rasend! Sie versaut doch noch alles. Er wollte charmant und eventuell flirtend auftreten, wenn ihm eine Frau gegenüber steht. Bei einem Mann hätte er sofort auf Fachmann gemacht, professionell gewirkt. Aber doch nicht so! Sein derzeitiger Gemütszustand war nicht hilfreich. Er hob genervt eine Augenbraue. Wo war denn nun "Norina"?
Jojo verdammt, reiß dich zusammen! Nicht so! Er atmete tief ein und aus. Puuh... Der erste Eindruck zählt, der erste Eindruck zählt. Er drehte sich mit dem Rücken zur starrenden Kassiererin und legte ein gezwungenes Lächeln auf. Nur, dass es nicht gezwungen aussah. Jojo war der perfekte Schauspieler.
Plötzlich! Eine Stimme! Sie klang... JUNG?! Was verdammt? Wie die eines Kindes, niemals älter als er selbst. Und dann sah er sie - oder zumindest nicht. Ein Turm aus Kleidungsstücken verbarg ihr Gesicht. Aber er sah Beine. Oh, was für Beine! Sie trug einen süßen Rock. Und einen süßen Arsch. Jojos Lächeln wurde zu einem echten. Ding Ding! Sein Interesse war da. "Ich helfe dir!" bot Jojo sofort an. Schritt Nummer 1: Gentleman. Doch ohne auf ihn zu hören verschwand sie hinter den Kleiderstangen. Oder wollte sie nicht hören? Gerade so konnte er noch einen Blick auf ihr leicht wehendes Haar werfen. Blond.
Hinterherlaufen war jetzt auch doof. Mal davon abgesehen, dass er erst die Sache mit den Designs über den Tisch bringen muss, ehe das Date kommt. Oder beides zusammen? Jojo konnte sehr überzeugend sein.
Nein, jetzt nicht. Ein anderer Plan muss her. Ohne die doofe Kassen-Tante. Die immer nur noch starrt! Klar, Jojo liebte Aufmerksamkeit. Er wickelte die Frauen gern um seinen Finger, mit Leichtigkeit seiner Meinung nach. Er war es gewohnt, wie er auf Frauen wirken konnte und wollte. Und er konnte so manch einer Frau ansehen, was sie über ihn dachten. Da war jedoch etwas in ihrem Blick. Sie hat ihn abgecheckt - er hat's gemerkt, er ist doch nicht Blöde! - und definitiv fand sie ihn heiß. Da war aber noch etwas anderes, das er absolut nicht zuordnen konnte. Und das, genau das, machte ihn so wütend.
Nun mit gespieltem Lächeln wendete er sich der Kassiererin zu. "Hat Norina heute Spätdienst?" Sie nickte. Jackpot! Sein Plan stand fest. "Sehr gut." Dann wandte er sich Richtung Laden? Wo war sie denn hin? Naja, egal. "Norina!" rief er durch den Laden. Er duzte sie sofort. Er konnte nicht anders bei der jungen Stimme. "Ich muss leider sofort weiter, ich lasse aber ein paar selbst designte Kleidungsstücke hier. Plus ein paar meiner Zeichnungen. Gern würde ich mich mit dir darüber unterhalten. Heute Abend komme ich wieder um mir alles abzuholen. Sieh dir alles in Ruhe an." Er schob alles über den Tresen weiter zur "Tante". "Deine Kollegin hat alles hier. Bis nachher!"
Mit einem zufriedenen Lächeln wendete er sich zum Gehen. Oh, heute Abend wird es Spaß machen: So oder so.

Norina brauchte keine Hilfe. Sie weiß immerhin selbst nie so genau, wo sie etwas Ablegen sollte, damit es hübsch aussieht. Sie macht es nur aus reiner Intuition. Und es passierte oft genug, dass sie alles nochmal anders legen musste, weil es ihr nicht gefiel. Das war schwieriger, wenn jemand anderes es für sie übernehmen sollte. Außerdem macht sie es gern. Noch so eine Sache, die sie einfach liebt an diesem Job.
Zufrieden summend sortierte sie die Kleidung im hinteren Bereich des Ladens, als sie wieder die Stimme eines Mannes hörte. Er ließ etwas für sie hier und musste gehen? Schade. Bevor sie aber auch nur antworten konnte, sprach er einfach weiter. "Bis nachher!" rief sie ihm fröhlich hinterher, in der Hoffnung, dass er sie noch hörte. Also würde er heute Abend wieder hier sein. Passt doch super, dann war auch Papa wieder da.
Leicht hopsend kam sie nach vorn. Miki sah auf die Tasche, aber nicht hinein. Sie war so still. "Alles okay bei dir?" Sie wurde doch nicht etwa bedroht und Norina hat davon nichts mitbekommen? Wenn das alles nur ein Spiel war? Eine Falle? "Ist alles gut? Wer war das?" Miki nickte. "Ja, ja. Alles gut. Er hieß Jojo." Sie seufzte und schob leise hinterher. "Und er war heiß."
"Was hast du gesagt?" erkundigte sich Norina neugierig. Den letzten Satz hat sie nicht mitbekommen. Jojo also. Merkwürdiger Name. Aber was ist schon merkwürdig, wenn man in Live Again lebte. Es gab hier ganz andere Dinge als merkwürdige Namen. Miki schüttelte den Kopf. "Schon gut. Willst du die Sachen sehen?"
Glücklich hüpfte Norina auf und ab und klatschte dabei einmal fröhlich in die Hände. "Au ja! Zeig her!" Sie war total neugierig. Miki schob ihr die Tasche herüber und Norina zog das erste heraus, was sie zu greifen bekommen hat. "Oh... wow!" Sie strahlte, als sie bemerkte, was sie dort in der Hand hielt. Es war ein wunderschönes, alltagstaugliches Kleid. Blumenmuster. Gänseblümchen. Eine verspielte Schleife im Dekolleté-Bereich. "Das ist wunderschön. Hat er das gemacht?" Auch Miki nickte, nur um danach wieder mit den Schultern zu zucken. "Ich weiß es nicht." Das einzige, was ich weiß.. er sah aus wie Nori, nur männlich! Deshalb musste sie ihn vorhin so anstarren, sie konnte einfach nicht glauben, wie er aussah. Exakt wie Norina. Das würde sie ihr jetzt aber nicht sagen, Nori würde sie noch für verrückt erklären.
Norina wühlte grob noch durch die restliche Tasche. Es waren viele Kleider dabei. Hosen. Röcke. Sie sahen alle toll aus. Doch dieses Kleid, war ihr absoluter Favorit. Sie musste lächeln, als sie es wieder betrachtete. Mit dem Kleid ging sie vor einen der Spiegel, hielt es sich vor die Brust und betrachtete sich darin. Es war ungefähr ihre Größe und müsste ihr bis über die Knie reichen. Ihre Augen strahlten. Sie konnte nicht glauben, wie süß dieses Kleid war! "Miki! Du hast Feierabend. Papa ist auch gleich da." Sie lächelte ihre Kollegin an. "Ab hier übernehme ich und gucke mir alles in Ruhe an. Wir sehen uns morgen."
Sie umarmten sich beide, ehe Miki Richtung Mitarbeiterraum ging um ihre Sachen zu holen. Norina stellte sich derweil hinter den Thresen und begann durch die Zeichnungen zu blättern. Ab und an entwich ihr dabei ein Lächeln. Da waren viele schöne Sachen dabei!

Am Abend:
Jojo ist nach Hause gegangen. Bevor er heute Abend wieder ins Sapphire ging, wollte er sich noch frisch machen. Doch zuvor begab er sich in sein Atelier. Er hat zwar nur Norinas Beine gesehen, doch sofort kamen ihm die Ideen und übersprudelten ihn regelrecht. Tellerrock im Sailor-Stil. Farbe: Marine. Weiße Streifen am unteren Saum. Vier große weiße Knöpfe auf Höhe der Taille, zwei links untereinander, zwei rechts.

Jetzt stand Jojo wieder vor dem Sapphire. Die neue Zeichnung in der Hand. An seinem Outfit hat er nichts geändert. Schwarze Jeans, weißes Hemd, schwarzer Cardigan. Die Hemdärmel ragten aus seiner Jacke raus. Frisur blieb auch die gleiche. Jetzt geht's los. Wieder einmal der Blick ins Schaufenster. Frisur sitzt. Jojo setzte ein selbstsicheres Lächeln auf. Er fühlte sich, als könnte heute Großes passieren. Er hatte es im Gefühl. Egal was. Jojo glaubte, heute ist seine Zeit gekommen. Selbstbewusster Griff an seinen Cardigan-Kragen, einmal richten. Ready.

Lächelnd betrat er den Laden. Er hat geglaubt Norina gleich hinter der Kasse zu finden. Leider war dort niemand. "Hallo!" rief er durch den Laden. Er hörte doch dort Stimmen! Vielleicht war ja gerade ein Kunde anwesend und Norina musste ihn beraten.

Eine Stunde nach Mikis Feierabend war Norinas Vater wieder da. Glücklich fiel sie ihrem Papa in die Arme. Robert Saphir drückte seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn. "Ich habe dich vermisst, mein Schatz." Genüsslich schloss Norina die Augen. "Ich dich auch, Papa." Robert drückte seine Tochter an den Schultern ein wenig von sich weg und betrachtete sie von oben bis unten. So, als müsse er sicher gehen, dass es ihr gut ginge. Norina kicherte. Sie war es von ihm gewohnt. Dann griff er in seine Jackentasche. "Ich habe dir eine Kleinigkeit mitgebracht." Norinas Augen leuchteten. Es war eine kleine rote Schachtel, eingepackt mit einer weißen Schleife. Freudig öffnete sie die Schleife viel zu schnell. Sie war total aufgeregt und neugierig, was da drin war. "Papa! Du musst das nicht machen!" Das sagte sie ihm jedes Mal. Jedes Mal brachte er ihr dennoch etwas mit. Als sie die Schachtel öffnete, staunte sie. Und lächelte dann. Lächelte breit! "Wie schön!" rief sie freudig. Es war eine kleine Spieluhr aus Holz. Langsam drehte Norina an der Kurbel um der Melodie zu lauschen. Sie schloss die Augen und lächelte. Welch schöner Klang. "Papa, das ist wunderschön." Auch Robert lächelte. "Das dachte ich mir, Schatz. Und nun erzähle. Was ist während meiner Abwesenheit hier passiert?"

Norina erzählte ihm alles. Bis hin hin zu Jojos Besuch heute und das dieser gleich heute Abend wieder vorbeikommt. Gemeinsam sahen sie durch seine Zeichnungen und waren sich in vielem einig, was ihnen gefiel und was weniger. Auch Robert fand, dass das Gänseblümchen-Kleid eines der besten Stücke war. Da beide Gefallen an dem Kleid gefunden haben und es zufällig Norinas Größe entsprach, zog sie das an. Sie war sich sicher. Sie wollte dieses Kleid im Laden! Plötzlich hörte sie eine Stimme. "Papa, das ist er!" rief sie freudig und hüpfte auf und ab. Sie war total aufgeregt und neugierig. Robert lachte. "Ich geh ja schon. Komm bitte gleich nach." Sie nickte eifrig und drehte sich ein letztes Mal im Spiegel. "Joel?" Norina hielt inne. Was war denn mit Papa los. Er klang merkwürdig. Das kannte sie überhaupt nicht von ihm! Und wer war Joel? Jojo?
Schnell rannte Norina los. "Papa? Papa!" Er stand da und starrte auf einen Jungen. "Papa?" fragte sie nochmal vorsichtig. Reglos stand er da, Tränen in den Augen. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper. Langsam trat er auf den Jungen zu, dann nahm er ihn in den Arm. "Joel!" Jetzt weinte Robert.
Norina sah zu dem Jungen, Joel, und riss die Augen auf. Das gibt es doch nicht! Er sah aus wie sie!

Jojo hat mit Norina gerechnet, aber doch nicht mit einem Mann. Enttäuschung machte sich in ihm breit. Also doch nur das Geschäftliche. Doch sein Lächeln erstarb, als der Mann ihn "Joel" nannte. Diesen Namen hat er seit Jahren nicht mehr aus dem Mund anderer kommen hören. What the...?! Woher wusste er, wie er hieß? Er hat sich doch nur mit Jojo vorgestellt! Was ging hier vor?
Unbewusst nickte Jojo langsam, als er seinen richtigen Namen hörte. Joel. Ja, so lautete sein Name. Der Mann, der da vor ihm stand, sah aus, als würde er gleich weinen. Jojo hörte aufgeregtes Rufen. Jemand schrie nach Papa. Norina? Und war der Mann ihr Vater?
Jojo stand reglos da. Er fühlte sich überfordert, seine Gedanken kreisten. Was verdammt soll das hier? Und ja, gerade wollte er seinen Gedankengang wütend rausschreien, da sah er sie. Ein blondes Mädchen. In seinem Kleid! Das war Norina! Sie hatte keine Augen für Jojo, ihr sorgevoller Blick lag auf ihrem Vater. Der kam nun langsam auf ihn zu und umarmte ihn. Steif stand Jojo da, rührte sich nicht. Norinas Vater weinte. Du ruinierst meinen Cardigan! Am liebsten hätte er es gerufen. Normalerweise hätte er es wütend ausgerufen. Doch aus seinem Mund drang kein einziger Laut.
Norina sah Jojo an, riss erschrocken ihre Augen auf. Auch er erkannte es. "Das gibt's doch nicht.." flüsterte er und schob den Mann vorsichtig von sich fort. Ohne den Blick von Norina abzuwenden, ging er auf sie zu. "Du...du..." Das Foto aus seinem Portemonnaie erschien vor seinem geistigen Auge. Darauf ein kleines blondes Mädchen. Seine Zwillingsschwester. Das Foto sah Norina zum Verwechseln ähnlich. Sie sah Jojo zum Verwechseln ähnlich. Sie war seine Zwillingsschwester! Er lächelte. "Endlich habe ich dich!" Und dann zog Jojo Norina in eine Umarmung.

Wie komisch das alles war! Papa weinte, Jojo schien die männliche Version von Norina zu sein und alles.... war gerade sehr viel auf einmal! Jojo, nein Joel?, kam auf sie zu und umarmte sie. Zuerst war sie viel zu schockiert, als auch nur einen Muskel rühren zu können. Das war ihr Bruder! Ihr kleiner Bruder! Ihr Zwilling!
Langsam konnte Norina wieder denken und umarmte auch ihn. Sie hatte Tränen in den Augen, aber strahlte über das ganze Gesicht. "Du bist mein Bruder!" rief sie glücklich. "Papa, Jojo ist mein Bruder!" Dieser nickte. Norina drückte Jojo noch fester an sich und ihr Gesicht an seine Brust. Tief zog sie ihren Atem ein, wollte seinen Geruch aufnehmen, als könnte sie etwas Vertrautes darin finden. Was nicht sein konnte, jedoch bildete sie es sich ein. "Ich habe dich so vermisst." sprach sie dumpf, das Gesicht noch an seine Brust gedrückt. Sie hörte ein Klacken und das Schließen einer Tür. Danach, wie der Schließmechanismus an der Tür betätigt wurde. Robert schloss den Laden ab, drehte das Schild um, sodass "Closed" nach draußen zeigte. Norina wollte nicht aufsehen, die Umarmung nicht lösen. Wie sehr sie sich das schon immer gewünscht hatte!
Sie spürte, das Papa näher trat, beide umarmte und ihr über den Kopf strich. Nur langsam und widerwillig ließ sie Jojo los. Sie lächelte ihn an. "Du bist mein kleiner Bruder!" Aufgeregt hüpfte sie auf und ab. "Papa, Papa! Joel ist mein Bruder!" Sie freute sich sehr darüber und fing sofort an. "Wo bist du gewesen? Was hast du gemacht? Wann kamst du hierher? Wie geht es Mama? Was sind deine Hobbies? Wo wohnst du? Wie-" Norina holte kaum Luft zwischen ihren Fragen, jedoch Vater unterbrach sie. "Du siehst aus wie sie. Ihr habt die gleichen Haare, die gleichen Augen wie Kristen." Er sprach leise und wischte sich noch einmal über das Gesicht. Auch er lächelte.

Ein warmes Gefühl breitete sich in Jojo aus. Norina schien sich zu freuen und erwiderte seine Umarmung. Ab dem Moment war es geschehen: das ist seine Schwester und für nichts auf der Welt würde er sie auch nur jemals wieder hergeben. Sie war ein Kopf kleiner als er, ihr Gesicht ruhte auf seiner Brust. Er hatte das Gefühl, sein Herz würde unnormal schnell schlagen. Wie so eine Teeniegöre. Als hätte ich mich gerade verliebt. Aber dem war so, das musste Jojo eingestehen. Er war sofort verliebt. Nicht auf eine lustvolle Art oder irgendwelche Beziehungsscheiße. Das muss dieses Geschwisterliebe sein. Aber auch ein schlechtes Gewissen machte sich in dem Moment breit. Verdammte kacke! Vorhin hast du ihren Arsch noch als süß betitelt. Du Freak! Sie ist deine Schwester! Doch er konnte nichts dafür, das wusste er bis eben nicht und hat sie ja nicht mal gesehen. Er nahm sich einfach vor jeden, der sowas über seine Schwester sagte, einfach eine reinzuhauen.
Jojo legte seine Wange auf ihren Kopf. "Ich habe dich auch vermisst." Oh ja, definitiv! Es verging kaum ein Tag, an dem er sich nicht das Foto angesehen und an sie gedacht hatte. Er freute sich, dass es ihr auch so ging.
Der Mann schloss den Laden ab, trat auf beide zu, umarmte sie. Danach löste sich auch Norina von ihm. Schade. Sie bemerkte, dass er ihr kleiner Bruder war. "Moment, Moment." Jojo grinste. "Wenn ihr das richtig gesehen habe,  reichst du mir nur bis hierher." Er legte seine Hand vor seine Brust um ihr die Höhe anzuzeigen und grinste noch breiter. "Du meinst wohl, ich bin dein großer Bruder." Eigentlich hatte sie ja recht. Sie war die ältere, um wenige Minuten, und damit die große von den Beiden.
Sofort durchlöcherte sie ihn mit Fragen, doch die konnte Jojo nicht richtig registrieren. Papa, Papa? Sein Blick ruhte auf den Mann. Es war, als machte es Klick. Verdammt! Dieser Mann war auch sein Vater. Er sprach auch sofort über die Gemeinsamkeiten und dass sie wohl so aussehen, wie ihre Mutter. "Hör auf!" schrie er ihn wütend an. "Vergleiche nicht Mutter mit uns! Das sind wir nicht wert." Jojo ballte die Hand zur Faust. Er sah herüber zu Norina und schüttelte den Kopf. Nein, Mutter hatte nichts schönes mehr an sich. Seine Schwester jedoch schien nur so zu strahlen.
Er sah wieder zu Vater herüber. "Warum? Warum bist du weggegangen? Warum hast du dich nicht gemeldet? Warum war ich dir egal? Du hast mich bei Mutter im Stich gelassen!"

Norina konnte es immer noch nicht glauben. Sie hat es sich immer so schön vorgestellt, auch wenn sie niemals gedachte hätte, dass es soweit kommen wird. Man sagt, man solle die Hoffnung nie aufgeben und auch wenn Norina nie den Eindruck gegeben hat... sie hat die Hoffnung einfach aufgegeben. Aus Papa war nie etwas rauszubekommen. Umso glücklicher war sie nun, dass dieser Zeitpunkt endlich gekommen ist.
Sie lächelte glücklich, als Joel sagte, er habe sie auch vermisst. Sie freute sich, dass er anscheinend genauso fühlte, wie sie selbst.
Als sie sich von ihm löste, sprach er darüber, dass er doch der große Bruder sei. "Na na." tadelte sie ihn lachend. "Deine Körpergröße machen deine Minuten nicht wett, die zu später kamst." Ja natürlich, Joel war größer als sie, aber immerhin ist sie um ein paar Minuten älter als er. Ergo: große Schwester!
Aus dem lustigen Gespräch zwischen den Beiden, wurde auf einmal Ernst. Das freundliche Gesicht von Jojo wich auf einmal blanker Wut. Nur, weil Papa etwas über ihre Mutter sagte. Eigentlich ein Kompliment. So hörte es sich für Norina an. Doch er schrie Papa wütend an.
Erschrocken wich Norina einen Schritt zurück. Joel schien also nicht gut auf Mama zu sprechen zu sein. Sie legte sich eine Hand auf den Mund. War Mama eine so schlechte Person?
"Nein, so ist es nicht..." fing Papa an, brach aber ab. Er wusste anscheinend nicht, was er sagen sollte. Auch Norina interessierte Papas Antwort, aber Joel war ihr jetzt wichtiger. "Jo-" sie wollte "Joel" rufen, brach aber ab. Es hatte seinen Grund, dass er sich anders vorstellte. "Jojo!" Schnell ging sie auf ihn zu und drückte ihn fest. "Du bist mir nicht egal! Ich wollte dich schon so lange finden. Ich werde dich nicht mehr im Stich lassen." Ihre Augen wurden glasig. Sie wollte nicht weinen, sie wollte aber auch nicht, dass Jojo so wütend ist.
Papa senkte den Kopf. "Vielleicht solltet ihr euch beide erst einmal unterhalten. Macht euch einen schönen Abend. Morgen stehe ich für alle Fragen bereit." Papa sah erschöpft aus. Auch für ihn war diese Situation anscheinend sehr nervenaufreibend. Verständlich.
Norina lächelte Jojo an. Sie würde sich sehr darüber freuen!